Das sich selbst lesende Buch – Ilse Kilic
Also, so etwas begegnet einem ja dann doch nicht alle Tage: ein Buch, das sich selbst liest. Obwohl der Gedanke der Selbstreferenzialität einer ist, der seit Beginn der Moderne keine große Erneuerung mehr darstellt. Worum es in diesem Buch geht? Um Romanfiguren, die verhindert waren, und denen in einem neuen Anlauf eine weitere Chance gegeben wird: Gemeinsam schreiben hier die Protagonisten eines Buches das Leben ihrer Schöpferin neu; das Machtverhältnis dreht sich also um. Ob es dabei Wortfragmente regnet, ob hypersensible Härchen aus den winzigen Ohren eines Babys sprießen oder ob es zu Disputen in einem Bootsbauch kommt – Ilse Kilics Text ist voll mit magischen, märchenhaften Facetten und Einsprengseln.
Formal ist das bei Ritter erschienene Buch überaus spannend und vielseitig gestaltet: Nicht nur würzen Bilder der Autorin selbst die literarischen und philosophischen Textteile, auch mit unterschiedlichen graphischen Textelementen wird gespielt: Da gibt es Kursivstellen, Aufzählungen, ein Gedicht, Listen, ja sogar ein Stück eingescannte Blöcke zu sehen.
Ilse Kilics Sprache ist unprätentiös, die Haltung dahinter von einer besonderen menschlichen Weisheit. Der Autorin gelingt es, in einem philosophischen Fleckerlteppich Kurzgeschichten, Lebensweisheiten und Comics so zu einem gemeinsamen Ganzen zu verweben, dass eine völlig neue Welt entsteht.
Sophie Reyer, 2016
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Ilse Kilic: Das sich selbst lesende Buch
Klagenfurt: Ritter, 2016
136 Seiten
EUR 13,90
ISBN: 978–3854155430