Was ist Schreibpädgogik?
Nicht selten werde ich oder jemand von meinen KollegInnen gefragt:
Schreibpädagogik? Was ist das? Was macht ihr da eigentlich?
Grund genug einen Workshop zu genau diesen Fragen anzubieten, eine Standortbestimmung und einige Antworten zu wagen!
Grundlegendes
Pädagogik ist die Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung. Als anwendungsorientierte Lehre umfasst sie zahlreiche Subdisziplinen, so auch das Schreiben.
Der Begriff Schreibpädagogik meint aber nicht das Erlernen der Fertigkeit des Schreibens (Alphabetisierung) und auch nicht unbedingt die schulische Schreibdidaktik und den schulischen Schreibunterricht im Sinne des Erlernens von bestimmten Textsorten. (Was nicht heißt, dass sich die Schreibpädagogik nicht für die Schule interessiert!)
Schreibpädagogik bezieht sich auf das sogenannte „Kreative Schreiben“, auf die spielerische und lustvolle Auseinandersetzung mit Sprache, auf die Selbsterfahrung im Schreibprozess und nicht zuletzt auf kreative Prozesse in Schreibgruppen. Auch geht es um das Schreiben als Kunstform und um die Produktion literarischer Texte.
Historisches
Die „Wiener Schreibpädagogik“, wie sie seit den 1980er Jahren von Gerwalt Brandl und Christa Brauner und später unter der Leitung von Petra Ganglbauer weiterentwickelt wurde und zum Teil bis heute gelehrt wird, ist ein spezifischer methodisch-didaktischer Ansatz mit folgenden Aspekten:
- Im Zentrum steht die Sprache, schreibend werden Ich, Welt und Sprache reflektiert.
- Text als Selbstausdruck, als Kontaktfläche in der Schreibgruppe
- Kreativität als das Zusammenführen von unbewussten und bewussten Anteilen der Persönlichkeit
- Schreiben als intransitiver Prozess
- Schreiben ohne Mitteilungs- und Darstellungszweck
- Schreiben als Selbsterfahrung, Schreiben als Therapie
- Schreiben als Kunst, Literatur als Kunst
Altes und Neues
In den letzten Jahren hat sich am BÖS vieles getan. Petra Ganglbauer hat den Verein und die Leitung des Lehrgangs weitergegeben. Neue (Team-)Mitglieder, DozentInnen und nicht zuletzt neue LehrgangsteilnehmerInnen bringen frische Impulse ein, indem sie Fragen stellen, Feedback auf die Ausbildung geben und ihre Wünsche äußern.
Wir hören zu, diskutieren und entwickeln neue Ideen.
Wir blicken zurück, aber auch nach vorn.
Und immer wieder auch nach links und nach rechts.
Aktuelles
Die Bandbreite sprachlicher, textlicher und literarischer Möglichkeiten und deren Einsatz in verschiedensten Bereichen auszuloten, war der Anspruch des Workshops „Was ist Schreibpädagogik?“, der im August 2018 stattgefunden hat.
JedeR der Teilnehmenden hielt einen Impulsvortrag, auf den Diskussionen folgten. In Bezug auf die Frage „Was ist Schreibpädagogik?“ ergab sich daraus – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Im Zentrum von Schreibpädagogik stehen nach wie vor die Sprache und der Text.
- Schreibpädagogik beinhaltet Selbsterfahrungsaspekte, erhebt aber keinen therapeutischen Anspruch.
- Es geht um die spielerische Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen – auf sprachlicher Ebene!
- Wesentliche Elemente von Schreibpädagogik sind professionelles Textfeedback und Textkritik bis hin zu Textcoaching.
- Die Auseinandersetzung mit Literatur spielt eine große Rolle, darunter fällt auch das Erlernen literarischer Formen und des damit verbundenen Handwerks.
- Auch andere Bereiche wie das schulische und wissenschaftliche Schreiben, Schreiben im politischen Umfeld oder Schreiben als Beitrag zur Kulturvermittlung, fallen in das potentielle Interessens- und Arbeitsgebiet von SchreibpädagogInnen.
- Schreibpädagogik eröffnet und schafft Schreibräume. Sie ist an den unterschiedlichsten Orten zu finden; in der Stadt, am Stadtrand, in der Natur, in der Bibliothek und im Internet.
- Schreibpädagogik verfolgt einen gesellschaftspolitischen Anspruch.
- SchreibpädagogInnen müssen sich (zumindest meistens) auf dem freien Markt behaupten.
- SchreibpädagogInnen müssen über pädagogische Kompetenzen verfügen, sowie in der Lage sein, Gruppen zu leiten und über gruppendynamische Prozesse zu reflektieren.
Fazit
Schreibpädagogik, wie wir sie hier im BÖS verstehen, ist im engeren Sinn die Methodik und Didaktik der „Wiener Schreibpädagogik“, die in den 1980er-Jahren von Gerwalt Brandl und Christa Brauner entwickelt und später unter der Leitung von Petra Ganglbauer etabliert wurde.
Im weiteren Sinn sind aber alle, die – in welchem Kontext und zu welchem Zweck auch immer – Schreiben lehren, als SchreibpädagogInnen tätig und können von dieser Methodik und Didaktik profitieren und ihrerseits zu ihrer Weiterentwicklung beitragen.
Der BÖS – als Berufsverband der Österreichischen SchreibpädagogInnen – ist zum einen Anbieter des Lehrgangs Schreibpädagogik und verschiedenster Schreibworkshops. Zum anderen fungiert er als Drehscheibe und verbindendes Element für alle jene, die schreiben, schreiben lehren oder schreiben lehren wollen.
Barbara Rieger, September 2018
Barbara Rieger absolvierte den Ausbildungslehrgang „Wiener Schreibpädagogik“ bei Petra Ganglbauer und begann danach für den BÖS zu arbeiten. Seit 2018 leitet sie den Lehrgang.