Abschied vom Genie – Wie die Schreibpädagogik in Österreich einzog
Gedanken von Britta Mühlbauer
Als ich Ende der 1980er Jahre zu schreiben begann, galt das literarische Schreiben in Österreich als Geniesache. Man konnte es oder man konnte es nicht. Es zu unterrichten schien undenkbar.
Von der Schreibwerkstatt Stöbergasse zum BÖS
Da meine ersten literarischen Versuche scheiterten, holte ich mir Hilfe in einer Volkshochschule. Am polycollege Stöbergasse gab es das umfangreichste Angebot an Schreibwerkstätten.
Aus der „Schreibwerkstatt Stöbergasse“ entstand 1998 der „Lehrgang Wiener Schreibpädagogik“ und 2004 der Berufsverband Österreichischer SchreibpädagogInnen (BÖS).
Literaturhinweis:
Brandl/Brauner/Wondratsch (Hg.): vom wortfall vom sammeln. Literarische Arbeiten und Schreibanimationen der Schreibwerkstätten Stöbergasse 1984–2000. Edition Volkshochschule 2002
Grundlage der „Wiener Schreibpädagogik“ waren die literarischen Verfahren der Wiener Gruppe (Artmann, Jandl, Mayröcker etc.) und der Surrealisten. Im Zentrum standen
- Sprachspiel und Sprache als Material und
- der Zufall und das Unbewusste, z.B. das automatische Schreiben, heute bekannt als „freewriting“.
Creative Writing
Schreibanimationen verschafften mir umgehende Erfolgserlebnisse, halfen mir aber nicht bei der Planung und Strukturierung längerer Texte. Bei einem Amerika-Aufenthalt lernte ich die Methoden des „Creative Writing“ kennen.
In den USA gibt es seit den 1890er Jahren Schreibkurse an Universitäten. (Heather Beck (ed.): Teaching Creative Writing).
Die Kombination Wiener Schreibpädagogik & Creative Writing machte aus mir eine Schriftstellerin.
Streitfall Schreibpädagogik
1992 veranstaltete die Schule für Dichtung Wien ein internationales Symposion zum Thema Lehr- und Lernbarkeit von Literatur. Als 1995 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig das Studium Kreatives Schreiben startete, sprachen KritikerInnen von „Autorenfabrik“ und „Fließbandliteratur“.
Schreibausbildungen arbeiten mit unterschiedlichen Literaturbegriffen und Methoden. Ich halte es für unsinnig, aufgrund von Schreibausbildungen eine Gleichschaltung der Literatur zu befürchten.
Ausbildungsstätten
Universitätsstudien für kreatives Schreiben:
Deutsches Literaturinstitut Leipzig
Literaturinstitut Hildesheim
Schweizerisches Literaturinstitut Biel
Institut für Sprachkunst an der Angewandten in Wien
Studiengang Buch und Dramaturgie an der Filmakademie Wien.
Außerhalb der Universitäten (Auswahl):
Schule für Dichtung Wien
Leondinger Akademie für Literatur
Eine Ausbildung zur SchreibpädagogIn bzw. SchreibtrainerIn gibt es in Österreich derzeit nur beim BÖS und im writers´ studio.
Britta Mühlbauer, September 2018
Britta Mühlbauer schreibt Romane und Erzählungen. Sie ist BÖS-Dozentin und Gitarrelehrerin.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des BÖS-Workshops “Was ist Schreibpädagogik?”