Schreibpädagogik und Integrative Poesie- und Bibliotherapie
Gedanken von Hildegard Kokarnig
Es liegt nun schon einige Jahre zurück, dass ich den Lehrgang Schreibpädagogik absolvierte. Eine Zeit der Inspiration, des literarischen Reifeprozesses und der Freundschaften. Beim BÖS wurde ich neben den vielfältigen anderen Angeboten zum ersten Mal auf einen Workshop aufmerksam, der sich Poesietherapie nannte. Ich fing Feuer. Schließlich begann ich mit der Ausbildung zur zertifizierten Leiterin für Poesie- und Bibliotherapie (IPBT) in Maria Trost/Graz.
Neben der Schreibpädagogik ist die Integrative Poesie- und Bibliotherapie eine weitere Möglichkeit, der rigiden, literaturfeindlichen Bildungsdiktatur unserer Schulen eine kreative Methode entgegenzusetzen. Einem Bildungssystem, in dem von sogenannten Experten Aufbruch vorgegaukelt wird, sich aber viele Jugendliche und PädagogInnen fühlen wie Ameisen, die ein frisch geteertes Asphaltband überqueren. Vorgefasste „Kochrezepte“ für Aufsatzgattungen anstatt Poesie. Schule, in der sich zeitgenösssische Autorinnen und Autoren meist vorkommen müssen wie saurierhafte Wesen in einem literarischen Jurassic Park.
Die Zeit der Ausbildung in ITPB war inhaltlich und menschlich kostbar. Was ich durch sie gelernt habe, lässt sich wohl kaum in wenigen Worten beantworten. Dennoch ein Versuch:
Ich lernte die künstlerisch-therapeutische Methode der ITPB durch die Methode selbst. Ich gewann umfassende Erfahrungen von der heilenden Wirkung von gestalteter Sprache. Lernte die ITPB durch intermediale Arbeit mit allen Sinnen kennen und erhielt ein breites Spektrum an theoretischem Wissen, Methodenvielfalt und Techniken des Verfahrens. Ich erfuhr wie sich die erlebnisaktvierende und ressourcenorientierte Kraft der ITPB bei der Arbeit mit einzelnen und Gruppen bewährt. Und ich durfte auch am eigenen Leib spüren, wie ein reflektierender Prozess in Gang kommt, der zum vertieften Verstehen von komplexen Lebenszusammenhängen führt.
Mittlerweile gehöre ich dem Vorstand der „Deutschsprachigen Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie“ (DGPB) mit Sitz in Deutschland an, wo kürzlich im gastlichen und idyllisch gelegenen Bildungshaus der EAG am Beversee/NRW, wie alle 2 Jahre, das Symposium der DGPB stattfand. Zeit-Lebenszeit-Biographie. Themen, die unmittelbar mit den Narrationen des Lebens und dem Schreiben selbst zu tun haben.
Sich mit der Theorie und dem Konzept der IPBT zu beschäftigen, bietet ungeahnte Möglichkeiten. Die Methode wird nachhaltig und erfolgreich in der Gesundheitsförderung, der klinischen Therapie aber auch als Persönlichkeitsförderung in der Pädagogik und in der Erwachsenenbildung durch kreatives und biographisches Schreiben mit Kindern, Jugendlichen, MigrantInnen, alten Menschen, Schwerkranken, Sterbenden bis hin zur Trauerarbeit eingesetzt.
Schreibpädagogik und Integrative Poesie- und Bibliotherapie – zwei Praxisfelder, die sich ideal ergänzen.
Hildgard Kokarnig, November 2018
Hildegard Kokarnig ist Lehrerin, Autorin, Schreibpädagogin und Vorstandsmitglied der „Deutschsprachigen Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie“. Sie lebt in Graz und liest am 12.12. im Au (Wien) bei der ersten BÖS-AvolventInnenlesung.
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Literaturhinweise und weitere Infos:
Wenn Sprache heilt. Handbuch für Poesie- und Bibliotherapie, Biographiearbeit und Kreatives Schreiben. Festschrift für Ilse Orth (Pionierin und Gründungsmitglied dieser Methode gemeinsam mit Hilarion Petzold und Johanna Sieper). Stud.texte IT. Petzold, H. G./Leeser B./ Klempnauer, E. (Hgg.) Aisthesispsyche
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Poesie und Therapie. Über die Heilkraft der Sprache. Poesietherapie, Bibliotherapie, Literarische Werkstätten. Reihe Kunsttherapie Band 1. 2005 [unveränderter Reprint der 2. Auflage von 1995]
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EAG-fpi-Publikationen: u. a. Rubrik: Heilkraft der Sprache.
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Ausbildung Integrative Poesie- und Bibliotherapie
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Deutschsprachigen Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie“ (DGPB)
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