Grenzenlose Linien
Ein Rückblick von Laura Nußbaumer
Der Raum ist gefüllt mit angeregtem Geplauder bis sich das Licht auf den Schreibtisch auf der Bühne richtet und Stille herrscht. Bereits zum dritten Mal findet die Veranstaltung „schriftlinien“ statt und Barbara Zwiefelhofer vom Literaturhaus Wien eröffnet den Abend zum Thema „Transmediale Poesie“. Sie übergibt das Wort an Günter Vallaster, der moderiert.
Brigitta Höpler zeigt als erste, wo die Welt Poesie in Fluglinien, Zuglinien, Wienzeilen hinterlässt. Der dunkle Saal wird von der Leinwand erhellt, auf der ihre „Fotonotizen“ zu sehen sind: Fotos von Schaufenstern, Türen, Lampen, Treppen und darüber Schlagzeilen wie „Wie der Jänner, so das Jahr“ und „Der Endspurt zur Eiskugel“. Zu diesen Fotos liest Brigitta Höpler poetische Notizen, „doch eher Gefundenes, als Gesuchtes“. Als letztes kommt ein Foto von einem Gehsteig, der mit Betonfarbe ausgebessert wird und ein geschwungenes Muster zeigt. „Wienzeilen“ schreiben kursiv.
Transmediale Poesie überschreitet an diesem Abend sowohl die Grenzen von (sozialen) Medien als auch von Ländern. Rhea Krcmárová singt live zu ihrem Film zum Thema Sexarbeit. Dann stellt sie ihre Instagram-Poesie vor: Bilder von Städten und Linien, die auch ein Strich sein können, in Kombination mit Texten, in denen die Grenze zwischen Deutsch und Englisch überschritten wird. Zum Schluss stellt Rhea Krcmárová ihren von Tumblr-Poesie inspirierten „30urbanrules“-Ratgeber für Großstädter vor. Dieser umfasst Regeln wie „neuntens: gedenke der Flüsse, die unter deinen Füßen flüstern“ und „fünfzehntens: iss niemals bei einem Würstelstand, der am Tag zuvor noch nicht da war“.
Erika Kronabitter liest aus ihrem anlässlich ihres runden Geburtstags erschienenen Podium Portrait. Auch hier geht es um Grenzen, nämlich die Grenzen, die Flüchtlinge zu überqueren und andere ihnen zu versperren versuchen. Jeder kennt das Spiel „Schiffe versenken“, online gibt es einige Spiele dieser Art mit Anleitungen wie „drücke die Leertaste zum Versenken der Schiffe, die Steuertaste zum erobern von Inseln“. Erika Kronabitter verwandelt diese Spielanleitungen in politische Gedichte. „An Land sichern Minister die Grenzen mit der Pfeiltaste“. Ruhig liest die Autorin die Anweisungen zum Schiffe-Versenken vor. Auf der Leinwand sind dazu Fotos von Flüchtlingsboten zu sehen. „Toller Spielespaß auch für Personen mit Sehschädigung“. Das Publikum hält den Atem an.
Es folgt ein erfreuliches Thema, nämlich ein Videorückblick an Schreibworkshops von Günter Vallaster, Andrea Zámbori und Barbara Rieger in St. Petersburg. Dort kreierten die Teilnehmenden (transmediale) Texte auf Deutsch und Russisch. Wie „Licht und Steine durch das Schaufenster“ werden Grenzen von Sprache und Ländern durchbrochen.
Barbara Rieger zeigt Ausschnitte aus dem Film „Melange der Poesie“ von Cäcilia Then und führt uns durch Wiener Kaffeehäuser, wo in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Alain Barbero eine ganze Sammlung an Fotos vom Innenleben verschiedenster Cafés entstanden ist. Diese sind ebenfalls voller Linien: Regale im Hintergrund, Schattenstreifen und Trennwände aus Glas. Bei den AutorInnenfotos verschwimmen die Grenzen zwischen Café und Café-Besucher, es entsteht „eine Mischung aus dem Café und den Portraitierten“, erzählt Barbara Rieger.
Andrea Zámbori beschließt die Veranstaltung mit drei Kurzfilmen: „Da und da“ zeigt ein Fahrrad, das in Stop-Motion durch die Länder zu fahren scheint, in „Elvis“ spricht Andrea Zámbori mit dem Film und er antwortet ihr sogar. „Nicht jeder, der aus dem Rahmen fällt, war vorher im Bilde“. „Mars“ ist dann ein Film ganz ohne Worte und den ZuschauerInnen ist die Interpretation der eindrucksvollen Bilder selbst überlassen.
Auch wenn die Veranstaltung „schriftlinien“ damit beendet ist, wird die Reihe weitergeführt und noch viel mehr Transmediale Poesie zu sehen sein. Die ZuschauerInnen applaudieren und bevor jeder heimgeht, gibt es noch Getränke und spannende Gespräche.
Günter Vallaster, der als Organisator hinter der Veranstaltung „schriftlinien“ steht und durch Abend führte, ist am Montag, 29.4.2019 im Rahmen der Veranstaltung „xyz.“ wieder auf der Bühne des Literaturhauses zu sehen. Beide Termine sind Veranstaltungen der Grazer Autorinnen Autorenversammlung in Kooperation mit dem Literaturhaus Wien.
Laura Nußbaumer, April 2019
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Fotos: Laura Nußbaumer
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