Bereitschaft zu Umwegen und Abwegen
Ein Interview mit Brigitta Höpler
In eine Stadt eintauchen und die Inspirationen aus der Tiefe nutzen – wie das gehen kann? Brigitta Höpler leitet dazu in „Urbane Textfelder“ an.
BÖS: Wie kann man sich das “in die Stadt hineinschreiben” vorstellen?
Brigitta Höpler: Schreiben hat für mich viel mit Sammeln, mit Auflesen, mit Gehen zu tun. Wie ich meine Umgebung wahrnehme. Da und dort ein gefundener Satz, Gesprächsfetzen, Farben, Gerüche, Klänge, die auf dem Blatt Papier einen Ausdruck, eine Form finden. Und schon bin ich tief im Textgewebe der Stadt. Kann vielleicht auch den einen oder anderen Satz oder Text in der Stadt verstecken und so das Gewebe weiterknüpfen.
BÖS: Welche Vibrationen hat Wien als Schreibort im Moment für dich?
Brigitta Höpler: Die Festwochen finden wieder an unterschiedlichen Orten statt. Der öffentliche Raum wird facettenreich bespielt. Salon Emmer tanzt im Parks. Neue KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) und Streetart Projekte bereichern die Stadt. Der Graffitikünstler Friend „das Malen im öffentlichen Raum ist für mich ein Ausdruck von Freiheit, von Menschlichkeit, von Handlungsfähigkeit. Städte ohne Graffiti verlieren an Charme, haben einen eigenartigen Beigeschmack, machen mir Angst.“ Ich sehe das ganz genauso. Die vielen Graffitis, Stencils, gekritzelten Zeilen ergeben eine spannende visuelle Poesie, machen aus der Stadt ein Textfeld. Im Moment lässt sich viel zur Pandemie, zur Regierung, zu den Femiziden und neuen Lebensformen lesen.
BÖS: Du möchtest auch Anregungen für “Schreiben auf Reisen” geben. Was schätzt du beim Schreiben auf Reisen besonders?
Brigitta Höpler: Eine andere Haltung als im Alltag. Mehr Offenheit und Neugier. In Resonanz mit meiner Umgebung zu sein. Die Bereitschaft zu Umwegen und Abwegen. Eine gewisse Ziellosigkeit. Im Gehen, Denken und Schreiben abschweifen, mich überraschen lassen.
Brigitta Höpler leitet den Schreibworkshop “Urbane Textfelder“ am 9./10. Juli 2022. Anmeldungen an office@boesmail.at
Foto: Martin Leitner