Dante für junge Lesende
Ein Interview mit Katharina Tiwald
Wer in der heutigen Hölle sitzen würde, hat Katharina Tiwald gleich zweifach inspiriert. Am 11. September 2021 stellt sie ihr neues Buch „Elfriede in der Hölle“ im Literatursalon des BÖS vor.
BÖS: Beim Kultursommer Wien warst du mit Dantes “Inferno”, im Oktober erscheint dein Buch “mit Elfriede in der Hölle”. Was fasziniert dich an diesem heißen Ort so sehr?
Katharina Tiwald: Dante begleitet mich seit einer Weile – vor acht Jahren habe ich, mehr aus einer Hetz heraus, während des Urlaubs begonnen, sein “Inferno” zu übersetzen, den ersten Teil der “Göttlichen Komödie”, und zwar, weil ich an ein Jugendbuch dachte, angelehnt eben daran. Aber ich hatte das Gefühl, mir diesen Text erst aneignen zu müssen – und habe anfangs eher damit gespielt. Und dann hab ich’s durchgezogen, hab das Inferno eben übersetzt, und zwar in eine Sprache, die eben auch jungen Lesenden zugänglich ist. Tja, und heuer jährt sich Dantes Tod zum 700. Mal; Vergil führt ja Dante durch die Kreise der Hölle, und bei der Frage, wer das literarische Vorbild sein könnte, die Ikone, die mich durch die Hölle führt, musste ich nicht lang überlegen. Bei Dante sitzen seine Zeitgenossen in der Hölle (eher wenige ZeitgenossINNEN) – es war sehr reizvoll, sich vorzustellen, wer in einer heutigen Hölle sitzen würde und warum. Und wie wörtlich man die Sünde nimmt.
BÖS: Im Buch ist der Flughafen Schwechat die Hölle. Warum?
Katharina Tiwald: Ich wusste sofort, dass die Hölle am Flughafen sein würde; bei genauerem Nachdenken sind’s zwei Gründe, die einen Flughafen zu einem perfekten Inferno-Ort machen, nämlich zum einen der Himmel, der dort so nahe ist, dem man nahekommen will im silbernen Flieger (und dann muss man doch wieder landen), zum anderen hat ein Flughafen viele Örtlichkeiten, die an die Höllenkreise erinnern: den Tower mit den Lichtsignalen, Tore, die man passieren muss, Gates.
BÖS: Mit “Elfriede” nimmst du Bezug auf Elfriede Jelinek. wie kam es dazu?
Katharina Tiwald: Die Figur “Elfriede Jelinek” führt die Figur “Katharina Tiwald” durch die Hölle wie seinerzeit Vergil Dante Alighieri; Vergil ist Dantes Vorbild, so wie ich als Jugendliche oft platt war vor der Sprachkunst Jelineks. Durch ihren geradezu forensischen Umgang mit Sprache wird sie in einer so formalen Struktur zur perfekten Figur, sie ist die wandelnde Kritik – und gleichzeitig ist der Roman ein durchaus liebevolles Portrait. Denke ich.
Neben Katharina Tiwald lesen Barbara Rieger und Thomas Havlik. Moderiert wird der Literatursalon von Günter Vallaster. Termin: 11. September 2021, 19:00 Uhr, BÖS-Atelier