Lesung zu Lesung ein Schneeballsystem
Ein Interview mit Christa Nebenführ
Erfolgreiche Bestseller-AutorInnen können sich vielleicht leisten schlecht lesen zu können, aber hier berichtet Christa Nebenführ wie wirkungsvolle Rhetorik als Werbung für die eigenen Texte dient.
BÖS: Wie wichtig ist Rhetorik als Selbstmarketing-Instrument für einen Autor/eine Autorin?
Christa Nebenführ: Johannes Mario Simmel hat am 11.12.1982 in der Sendung „Wetten, dass …” angekündigt, eine Lesung zu halten, falls er die Wette verlieren sollte. Er hatte einen S‑Fehler, war auch sonst ungeübt im Vorlesen und tat es deshalb nie. Trotzdem war er ein Bestseller-Autor. Für jene, die noch auf ihren Bestseller warten, muss aber gesagt sein, dass die Anwesenden bei Lesungen eher Bücher kaufen, wenn sie auch der Vortrag überzeugt hat, und dass die Weiterempfehlung von Lesung zu Lesung zum Teil einem Schneeballsystem folgt.
BÖS: Was ist das Schwierige am Vortragen eigener Texte?
Christa Nebenführ: Eigene Texte vorzutragen ist im Prinzip nicht schwieriger als fremde. Die meisten AutorInnen haben sich aber niemals damit beschäftigt, Texte sprecherisch zu gestalten. Natürlich ist es auch wichtig, das Gelesene nicht zu vernuscheln, aber erst die Dynamik des Vortrags, Tempowechsel, Pausen, eine kleine Geste im richtigen Moment erwecken einen Text beim Zuhören. Eine Gefahr beim eigenen Text besteht natürlich darin, dass der/die Autor:in ihm noch nicht genug vertraut und daher verleitet ist, zu schnell zu lesen um es hinter sich zu bringen und das Publikum zu entlassen. Dabei verkürzt ein „wohltemperierter” Vortrag mit Pausen die gefühlte Lesezeit eher. Und manchmal können durch den Vortrag sogar neue Zugänge zu eigenen Texten gefunden werden.
BÖS: Kann man jede Stimme rhetorisch schulen?
Christa Nebenführ: Ja!
Christa Nebenführ leitet den Schreibworkshop „Rhetorik für AutorInnen“ am 29./30. Jänner 2022.
Die Autorin im Netz:
Dozentin beim BÖS
Literaturhaus
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