Von wegen Verdummung
Ein Interview mit Kathrine Bader und Andrea Penkhues
Viele Informationsschriften sind immer noch auf einem Sprachniveau verfasst, das sie oft schwer zugänglich, schwer verständlich macht. Und das gilt auch für Werke der Literatur. Kathrine Bader und Andrea Penkhues erklären, was „leichte/einfache Sprache“ ist und welches Veränderungspotenzial sie hat.
BÖS: Ist Schreiben in “leichter” Sprache leichter oder schwerer?
Kathrine Bader: Zu unterscheiden ist zwischen “Leichter Sprache”, die strengere Regeln vorgibt, und “Einfacher Sprache”, die diesbezüglich freier vorgeht. Anfangs erfordert das Schreiben in einer leichter verständlichen Sprache ein Umdenken, doch mit der Zeit kann es zur Gewohnheit werden. Eine nachträgliche Übersetzung von amtlichen Texten in Richtung größere Verständlichkeit ist manchmal allerdings schon eine Herausforderung.
BÖS: Warum sollte man das tun beziehungsweise können?
Kathrine Bader: Barrierefreiheit ist in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Raum verpflichtend vorgeschrieben. Das betrifft nicht nur die Beseitigung baulicher Hindernisse, sondern auch die Zugänglichkeit von Informationen. Derzeit ist es noch so, dass ein Großteil von Informationsschriften in einem hohen Sprachniveau verfasst sind – und daher die jeweilige Zielgruppe nicht oder nur schwer erreicht. Und auch literarische Texte sollten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich sein. Beispielsweise Menschen mit Lernschwierigkeiten von vornherein zu unterstellen, sie würden sich nicht für Literatur interessieren – oder schlimmer: Die braucht das gar nicht zu interessieren, wenn sie es eh nicht verstehen – ist eine pure Anmaßung und Ausdruck von Machtgehabe!
BÖS: In welche Richtung muss sich die Denkleistung verschieben?
Andrea Penkhues: Auch in sprachlicher Hinsicht ist eine Demokratisierung unumgänglich, um allen Menschen eine Beteiligung an der Gesellschaft zu ermöglichen und Informationen erschließbar zu machen. Im Endeffekt profitieren wir alle von einer Vereinfachung. Denken wir nur an Bedienungsanleitungen oder Behördenformulare. Natürlich wäre es sinnvoll, Texte von vornherein in leicht verständlicher Sprache zu verfassen, und sie nicht erst mühsam und aufwändig übersetzen zu lassen. Je nach Zielgruppe können sie auch in verschiedenen Sprachstufen angeboten werden. Leichte Sprache führt keineswegs zu einer “Verdummung”, wie von manchen befürchtet, sondern ist als wertvolle Ergänzung zu verstehen.
Mittlerweile zeigen viele literarische Beispiele, dass auch Literatur in leichter Sprache Kunst ist. Kennzeichnend sind die Vielfältigkeit und der Gehaltsreichtum, die das Schreiben in Leichter Sprache birgt, trotz Reglementation im Einsatz technischer und stilistischer Mittel.
Und weil das nun NICHT in Leichter Sprache war, gleich noch einmal das vereinfachte Interview:
BÖS: Ist Schreiben in “leichter” Sprache leichter oder schwerer?
Kathrine Bader: Es gibt “Einfache Sprache” und “Leichte Sprache”. Leichte Sprache hat strengere Regeln.
Am Anfang ist das Schreiben in einer leichter verständlichen Sprache ungewohnt. Aber mit der Zeit wird es ganz normal.
Das nachträglich Übersetzen von schwieriger Sprache in einfache Sprache kann anstrengend sein.
BÖS: Warum sollte man das tun beziehungsweise können?
Kathrine Bader: Barrierefreie Sprache ist für Ämter und Behörden gesetzlich vorgeschrieben. Barrierefrei heißt: für alle zugänglich. Auch Sprache soll für alle zugänglich sein.
Oft sind Informationen zu schwierig geschrieben und viele Menschen verstehen sie nicht.
Auch Menschen mit Lese-Schwierigkeiten interessieren sich für Literatur, also für Bücher. Deswegen soll es Bücher auch in leicht verständlicher Sprache geben.
BÖS: Wie sollten wir jetzt denken?
Andrea Penkhues: Alle Menschen sollen an der Gesellschaft teilhaben. Das geschieht auch über Sprache.
Wir haben alle etwas davon, wenn es komplizierte Texte auch in leicht verständlicher Sprache gibt.
Inzwischen gibt es viele Beispiele für Literatur in Leichter Sprache. Das zeigt: Auch das ist Kunst.
Das soll Menschen Lust aufs Lesen machen, die bisher kaum Zugang zu Literatur hatten.
Kathrine Bader und Andrea Penkhues leiten den ONLINE-Workshop „Leichte Sprache: Anspruch und Chance für schreibende Menschen“ am 20. Februar 2022. Anmeldungen bitte an office@boesmail.at
Fotos: Manuela Zine / Privat