Was bei uns bleibt – Didi Drobna
Eine Rezension von Cornelia Stahl
Erinnern als lebenslanges „Gepäck“
In allen Veröffentlichungen Didi Drobnas sind es die Beziehungen, die breiten Raum einnehmen, ihr Ineinandergreifen das tragende Element bilden. Im vorliegenden Roman ist es die innige Verbindung zwischen Klara und ihrem Enkel Luis.
Klara war 1944, als Zwanzigjährige, gemeinsam mit anderen Frauen und Zwangsarbeiterinnen des Konzentrationslagers Mauthausen in der niederösterreichischen Munitionsfabrik Hirtenberg für die Herstellung der Patronenhülsen verantwortlich. Präzisionsarbeit. Damals erfüllte es sie mit Stolz, einen wichtigen Teil zum Krieg beizutragen. Viele Jahre des Verdrängens und Schweigens sind seither verstrichen.
Erst mit zunehmendem Alter, als Klaras Haut dünner wird und ihre Kräfte schwinden, tauchen Erinnerungen an die Kriegszeit unvermittelt wieder auf, die sie nun mit Luis, ihrem Enkel, teilen möchte. Sie kehrt nach Hirtenberg zurück und beginnt zu erzählen:
Klara hätte nicht gedacht, Hirtenberg jemals wiederzusehen (S.209).
In den zurückliegenden Jahren hatte sie weder ihren Kindern noch ihrem Enkel von ihrer Fabrikarbeit erzählt. Und es ist ein Glück, dass Luis direkt nachfragen kann. Jetzt bringt er den Mut dazu auf:
Was hast du eigentlich gemacht, Oma?
Die Parabellum-Zündhütchen. Ich habe sie in die Hülsen gestanzt (S.2015).
Beide erkunden die leerstehenden unterirdischen Fabrikräume in Hirtenberg, und Klara kommentiert die Bilder vor Ort:
Atemluft. Die Türen blieben zu. Wegen Fliegeralarm und Bombenschutz (S.215).
Didi Drobna, geboren 1988 in der Slowakei, hat die Hintergründe zu den Gustloff-Werken, der Patronenfabrik Hirtenberg, aufwendig recherchiert und literarisch verarbeitet. Der Roman arbeitet mit zahlreichen Rückblenden, die mitunter den Lesefluss unterbrechen. Eine präzise Figurenzeichnung ermöglicht Lesenden, sich in die jeweiligen Personen hineinzuversetzen. Erinnern bindet Drobna in ein literarisches Narrativ ein, welches historisch grundiert, Mehrfachdeutungen zulässt. Ein Roman, der uns lange bewegt.
Cornelia Stahl, April 2022
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Didi Drobna: Was bei uns bleibt.
München: Piper 2021.
257 Seiten
20,60 EUR
ISBN: ISBN 978–3‑492–07052‑2
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