Mit Literatur das androzentrische Weltbild verlassen
Ein Interview mit Bettina Baláka
Im Mai hat Bettina Balákas Buch „Dicke Biber“ den Kinderbuchpreis 2022 gewonnen. Am kommenden Wochenende liest sie daraus im Literatursalon des BÖS.
BÖS: Du wirst im Literatursalon ja aus deinem Kinderbuch “Dicke Biber” lesen. Woher kommt deine Faszination für diese Tiere?
Bettina Baláka: Der Biber ist neben dem Menschen das einzige Tier, das seine Umwelt massiv gestaltet. In Kanada wurde ein seit unzähligen Generationen benutzter Biberdamm entdeckt, der so groß ist, dass man ihn aus dem All sehen kann. Allerdings verwendet der Biber dazu keine Maschinen, sondern ausschließlich seine mit einer eisenhaltigen Schicht verstärkten Schneidezähne und seine formidable Intelligenz. In anglosächsischen Ländern nennt man ihn daher auch „nature´s engineer“. Ebenfalls im Gegensatz zum Menschen dienen seine Bauten nicht der Habitatzerstörung, sondern deren Schaffung und Erhaltung. Sie leben mitten unter uns, allein in Wien gibt es rund 400 Biber. Viele Menschen sehen nur ihre Spuren und denken, sie machen „alles kaputt“. Ich wollte Kindern wie Erwachsenen den Lebensraum Au, zu dem sie unbedingt gehören, ein bisschen näherbringen.
BÖS: Du bist sehr engagiert im Umwelt- und Naturschutz. Was kann Literatur in diesem Zusammenhang bewegen?
Bettina Baláka: Obwohl gar nicht mehr allzu viel da ist von der ursprünglichen Natur dieses Planeten, wird diese oft als etwas Bedrohliches gesehen, das unter Kontrolle gebracht werden muss. Gleichzeitig soll sie menschliche Ansprüche an Fun und Wellness erfüllen – man will hochintelligente Säugetiere in Delphinarien gequält sehen, mit dem Mountainbike durch die Wälder preschen etc. Literatur kann einen Perspektivwechsel herbeiführen, das androzentrische Weltbild verlassen. In den „Tauben von Brünn“ habe ich zum Beispiel das Familienleben der Brieftauben beschrieben, wie man sie von ihrem Partner und ihren Kindern wegreißt, hunderte Kilometer entfernt aussetzt und sie verzweifelt zurück zu ihren Lieben zu kommen versuchen, was der Mensch für die Nachrichtenübermittlung nutzt. Es freut mich sehr, wenn mir LeserInnen sagen, sie würden nach der Lektüre dieses Buches Tauben mit vollkommen anderen Augen sehen.
BÖS: Woran arbeitest du gerade und worauf dürfen wir uns literarisch freuen?
Bettina Baláka: Ich habe gerade vier Projekte in Arbeit. Mein Roman „Der Zauberer vom Cobenzl“ über den Chemiker und späteren Esoteriker Karl Ludwig Freiherr von Reichenbach wird im Frühjahr 2023 erscheinen. Weiters gebe ich eine Anthologie mit großartigen Schriftstellerinnen der Generation 50 plus heraus. Im Herbst 2023 kommen dann ein Lyrikband und ein weiteres Kinderbuch.
Der Literatursalon im BÖS-Atelier beginnt am 25. Juni 2022 um 19 Uhr. Es lesen neben Bettina Baláka Karin Ivancsics und Dieter Sperl. Die Ausstellung von Gertrude Moser-Wagner wird mit einer Finissage verabschiedet, es moderiert Brigitta Höpler.
Foto: Alain Barbero