Meidling. Betrachtungen, Befürchtungen, Begehungen – Beppo Beyerl/Erika Kronabitter
Eine Rezension von Brigitta Höpler
Die Neumeidlingerin Erika Kronabitter und der Zentralmeidlinger Beppo Beyerl machten sich gemeinsam auf den Weg für eine Bezirkserkundung. Subjektiv, subversiv, offen für Begegnungen, Gespräche, Zufallendes, Recherchiertes, Entdecktes, Betrachtetes, Vergangenes, Zukünftiges.
Herausgekommen ist ein vielfältiges Reisebuch der besonderen Art, das zum Flanieren einlädt. Und zu „etwas ganz Aufregendem und Spannendem: der Rückgriff ins Lokale, die Neuentdeckung der lokalen Möglichkeiten, die Rückbesinnung auf die nähere Wohnumgebung“, wie die beiden in ihrem Vorwort schreiben. In der eigenen Stadt wie auf Reisen leben. Mit ihrem Buch möchten sie diesen Trend, dieses durch Pandemie und Klimakrise veränderte Reiseverhalten, unterstützen. Das ist mit ihrem Buch eindeutig gelungen!
Ihre Wege führen in die ehemaligen Meidlinger Dörfer Altmannsdorf, entlang der „Meidlinger Transversale“ von der Philadelphia Brücke bis zur Einmündung der Atzgersdorfer Straße, nach Gaudenzdorf, und Wilhelmsdorf, an das noch die „Dörfelstraße“ und der Wilhelmsdorfer Park erinnert.
Sie bewegen sich entlang von Grenzen, Eckpunkten, Markierungen, Straßenbahnlinien, an die Ränder und zum Meidlinger Markt, dem Zentrum der Gravitation im 12. Ihre Wege führen durch Friedhöfe, Parkanlagen, Gemeindebauten, durch den öffentlichen Raum sowie in Wirtshäuser und Cafés. Sie erzählen Geschichten und legen Schichten frei.
Wir begegnen dem Wilhelmsdorfer Wassermann, dem Großvater von Beppo Beyerl, einem strawanzenden Spengler, der Tante von Erika Kronabitter in der Köglergasse, mutigen Straßenbahnern, dem Einbrecherkönig Schani Breitwieser, der mordenden „Eislady“ Estibaliz Carranza, der visionären Leopoldine Glöckel, der Feministin und Politikerin Johanna Dohnal, der Holocaustüberlebenden Gertrude Pressburger, Hersch Kohn – besser bekannt als Hermann Leopoldi – und vielen anderen Meidlinger Menschen.
Nach Leopoldine Glöckel ist einer der schönsten Gemeindebauten (auch in Meidling) benannt: der Leopoldine Glöckel Hof. 1931/32 nach Plänen von Josef Frank erbaut, ist er mit seinem Verzicht auf Dekor und seiner Schlichtheit ein Gegenstück zu so manchen pathetisch-historisierenden Gemeindebauten. Für Johanna Dohnal wurde im Rahmen eines Erinnerungsprojektes der Künstlerin Isabella Kresse im Haydnpark eine Birke gepflanzt, eine Erinnerungstafel für Gertrude Belghofer steht auf der Meidlinger Wunschliste des Autors und der Autorin.
Brigitta Höpler, September 2022
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Beppo Beyerl, Erika Kronabitter: Meidling. Betrachtungen, Befürchtungen, Begehungen
Löcker Verlag: Wien 2022
222 Seiten
24 EUR
ISBN 978–3‑99098–115‑3
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