Winter­be­schäf­ti­gung

Ein Text von Gudrun Breyer

Schau uns an“, schreibt Anne. „Das hätten wir uns nie gedacht.“
Der Strand, sie und ihre drei Kinder inmitten der anderen. Das ganze Dorf kniet da, mit Sand­ei­mern, ‑schau­feln, ‑sieben. Das ganze Dorf und noch mehr. Alle mit Wind­ja­cken, Hauben, Hals­tü­chern. Der Wind zerrt an ihnen, treibt die Gischt ans Ufer wie eine stör­ri­sche Schaf­herde. Alle konzen­triert, Schritt für Schritt rücken sie vorwärts. Der Sand rutscht hinter ihnen nach und verwischt ihre Spuren.
„Wir auch. So war´s bei uns Anfang November“, antwortet Doris, „da hatten wir 40 Zenti­meter. Jetzt ist alles weg und einfach nur kalt“.
Blauer Himmel, Sonnen­schein. Rudi und Leo knien mit Plas­tik­schau­feln und ‑kübeln im Schnee und bauen ein Iglu. Nasse Knie, blaue Lippen, Zahn­lü­cken­lä­cheln.
„Verrückte Zeit! So viel zum Klima­wandel.“ Smiley. „Wie viel hattet ihr?“
„Ja, verrückte Zeit“, schreibt Anne. Thumbs up. „Ist kein Schnee.“
„Sieht aber so aus.“ Große Augen. Frage­zei­chen.
„Wir sammeln Plas­tik­kü­gel­chen, ein Frachter hat ein paar Container verloren.“

 

Diesen Text hat Gudrun Breyer im Rahmen des Schreib­work­shops “Kurz- und Kürzest­texte” mit Erika Kronabitter verfasst.